Farbklänge und Buchskulpturen

„Oh! Eine Schlange in meinem Garten!“
Werkschau von Nicole Morello im Raum für Kunst in Ruchsen
Von Leonore Welzin

Möckmühl. „Oh“ ruft Nicole Morello „ Eine Schlange in meinem Garten!“ Der literarische Titel, den die Französin für ihre Werkschau gewählt hat, birgt erotische Anspielungen, eine Fülle an Überraschungen und offenbart ihre Vorliebe für Papier, speziell transparente Papiersorten. So hell und licht wie der Raum für Kunst Baars & Rohwerder in Ruchsen, so fein oszilliert das zarte Farb- und Formenspiel auf unterschiedlichen Papier-Formaten und Stärken, mal als einzelnes Blatt, mal zum Buch gebunden. Zu Morellos Lieblingsbüchern gehört Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“.

In der assoziativ raffiniert eingerichteten Ausstellung schickt Morello den Besucher auf die Suche nach der Schlange in ihrem Garten. Frei im Raum hängen „Filigrane“, türgroße Gouachen auf milchig durchschimmerndem Pergamin-Papier mit handgedrucktem Allover Print. Die kleinen Druckformen sind Schnittreste:“ Eigentlich Abfall, der beim Schneiden von Schablonen entstanden ist, den ich in Kisten aufbewahre und oft erst nach Jahren wiederentdecke“, sagt Morello, die nichts wegwirft, sondern auf den geeigneten Moment zur Wieder- und Weiterverwendung wartet.

Perlmuttfarbe. Recyceln, verstanden als Kreisbewegung auf der Zeitachse, ergibt eine Spirale. Eine solche windet sich als Hohlform durch weiße, zart glänzende Buchseiten. Mit der Perlmuttfarbe des Buches korrespondieren Bilder von Muscheln und Meeresschnecken auf Seidenpapier. Die urtümlichen Wesen in zarten Perlmuttönen kann man ahnen – bei bestimmtem Lichteinfall werden sie sichtbar.

Handgemachte, textlose Bücher stehen und liegen auf Sockeln. Einige gleichen Musterbüchern, von winzig klein – ein buntes Daumenkino, das beim schnellen Blättern zischelt wie eine Schlange – bis quadratmetergroß, ein Schwelgen in Farbkringeln. Wieder andere gleichen Bühnenbildern, wie die „Pinguin-Kolonie“, ein frühes Sujet Morellos, das die Grenze von Figur und Abstraktion austariert.
Als seien es Eisberge, balancieren die putzigen Vögel auf der Oberkante der Buchseiten. Sattes Grün hingegen suggeriert im Pop-Up-Buch „Peyote“ durch Meskalin induzierte, dschungelartige Phantasiegewächse. Von arktischer Kälte bis tropische Hitze schlängelt sich der Besucher durch imaginierte Klimazonen.

Musée des Arts Décoratifs Paris, Victoria-and-Albert-Museum in London oder Museum of Modern Art New York: Seit Nicole Morello 1986 mit dem Ersten Preis des internationalen Wettbewerbs für Künstlerbücher in Montreal ausgezeichnet wurde, reißen sich Sammlungen weltweit um ihre Buch-Skulpturen.